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Leo’s BLOG

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Metz

Die Tage werden trüber... Möchte daher zur Ermunterung ein paar Worte über die Bücher verlieren, die ich zuletzt gelesen habe.


Im Gollenstein-Verlag ist ein neuer Kulturführer über Metz erschienen. Das hat mich insofern interessiert, als ich immer wieder nach Stätten in der näheren Umgebung Ausschau halte, die sich für einen Tagesbesuch per Motorrad eignen. Niels Wilcken ist mit der Umgebung bestens vertraut und bietet detaillierte Informationen über die Stadt in ihrem heutigen Zustand und ihre Geschichte an. Zahlreiche Bilder machen Lust auf mehr, also darauf, das Abgebildete einmal in voller Größe zu erleben. Skizzen von mehreren Rundgängen geben Anhaltspunkte dafür, wie sich eine geistige Stadteroberung organisieren lässt. Natürlich sind die Glasfenster von Marc Chagall (auf der Westseite der Kathedrale) ein Höhepunkt. Mich persönlich hat aber das Insgesamt der Fenster, das den eigentlichen Eindruck der Kirche ausmacht, am meisten getroffen.

Reiseführer Metz001

Sein Leben

Die Vita wird nach Kontaktaufnahme freigeschaltet.

Da ich vor einiger Zeit die neu erschienenen „Betrachtungen eines Unpolitischen“ von Thomas Mann gelesen hatte, war mein Interesse an diesem Autor wieder lebendig geworden. Als dann kurze Zeit später ein neues Buch ÜBER Thomas Mann erschien, nämlich von Hans Rudolf Vaget: Thomas Mann, der Amerikaner, war ich natürlich ebenfalls interessiert. Ich habe nun die Vorfreude auf dieses Buch durch die Lektüre eines anderen, das ich vorgezogen habe, verlängert: Guy de Maupassant: Bel-Ami. Diese Buch war zufällig in meine Hände geraten, das Titelbild sah sehr französisch aus, und ich war gerade aus Metz heimgekehrt. Laut Umschlagsbewerbung handelt der Roman von einem Journalisten, der durch skrupellose Verführungskünste aus kümmerlichen Verhältnissen an die Spitze der (Pariser) Gesellschaft gelangte. Vielleicht habe ich mich ja gefragt: Wie machen manche Menschen das?! Und habe das Buch gekauft und gelesen. Hier eine kleine Leseprobe (Zum Verständnis: Der Held heißt du Roy, Madame Walter ist die Frau des Verlegers, für den du Roy arbeitet.):

  Du Roy hatte Madame Walter zu seiner Rechten plaziert, und er redete während des Essens mit dem allergrößten Respekt über verschiedene ernste Themen zu ihr. Von Zeit zu Zeit warf er einen Blick auf Clotilde. „Sie ist wirklich hübscher und attraktiver“, sagte er sich. Dann schweiften seine Augen zu seiner eigenen Frau zurück, die er auch nicht übel fand, obwohl er immer noch eine infame anhaltende Wut auf sie hatte.
  Aber es war doch Madame Walter, die ihn am meisten erregte, eben weil ihre Eroberung schwierig war und weil Männer nun einmal stets Lust auf neue und andere Frauen haben.
  Sie äußerte die Absicht, frühzeitig nach Hause zurückzukehren. „Ich werde Sie begleiten“, sagte er.
  Das lehnte sie ab. Er ließ aber nicht locker: „Was haben Sie bloß dagegen? Sie kränken mich zutiefst. Lassen Sie mich nicht glauben, Sie hätten mir nicht verziehen. Sie sehen doch, wie ruhig ich bin.“
  Sie antwortete: „Aber Sie können doch Ihre anderen Gäste nicht einfach so allein lassen.“
  „Ach was! Ich bin ja nicht länger als zwanzig Minuten weg. Das wird sowieso kaum jemand bemerken. Wenn Sie nein sagen, so tun sie mir bis in die Seele hinein weh.“
  Sie murmelte: „Also gut, ich bin einverstanden.“


Ist das nicht hübsch erzählt? Ohne Schnörkel, ja sogar ein wenig vereinfacht, so scheint es, alles auf den Punkt gebracht, verbale Zwischenschritte aussparend. Dagegen betrachtet scheint Thomas Mann eine regelrechte Plaudertasche zu sein. Bei Maupassant muss man sich die Zwischentöne denken, bei Mann sind sie alle an der Oberfläche versammelt, Thomas Manns Tiefe ist also eine oberflächliche, wenn man so will...


Über das Buch von Hans Rudolf Vaget möchte ich nur ein paar Worte verlieren. Wer sich nur ein wenig für Thomas Mann interessiert, der sollte es unbedingt kaufen. Es ist indes genau so interessant für alle, die sich für die Zeit vor und nach dem zweiten Weltkrieg interessieren, da zwar alles in dem Buch um Thomas Mann kreist, die Schilderung und Analyse seiner vielfältigen Beziehungen aber zugleich ein weites historisches Feld eröffnen. Denn Mann war gut vernetzt. Seine Beziehung zu Präsident Roosevelt, seine Freundschaft mit Agnes Meyer, seiner amerikanischen Förderin, sind zwei Schwerpunkte des Buches. Dann erleben wir Thomas Mann unterwegs mit dem Zug in Amerika, seine Auftritte an Universitäten, sein Leben in Los Angeles. Wir lernen mehrere Facetten kennen der Situation in Deutschland nach dem Krieg, die unter das Stichwort „Nachkriegsbewältigung“ fallen. Der Nationalsozialismus war latent vorhanden im Nachkriegsdeutschland. Ein Aspekt oder Thema, das seit ein paar Tagen wieder an Fahrt gewonnen hat, seit dem bekannt wurde, dass es Rechtsterrorismus in Deutschland gibt und niemand davon etwas ahnte.

Thomas Mann001

Thomas Manns Roman Doktor Faustus ist in Pacific Palisades entstanden. Es ist ein Deutschlandroman, aber so habe ich ihn vor 45 Jahren nicht verstanden, auch nicht, als ich den Roman vor genau 40 Jahren noch einmal las. Kenntnis von dieser zweiten Lektüre habe ich heute nur wegen eines Lesezeichens, das in dem Buch steckt, das ich also jetzt ein drittes Mal lese. Ich bin mitten in der Lektüre und will daher auch keine weiteren Kommentare abgeben. Allerdings noch ein wenig zitieren, und zwar aus einem Brief Adrian Leverkühns, des Protagonisten, an seinen Freund und Biographen, den fiktiven Erzähler in diesem Roman, in dem er eigentlich über ein Erlebnis berichtet, das man so auch Nietzsche nachgesagt hat, nämlich den unfreiwilligen und unvollendeten Besuch in einem Bordell („Schlupfbude“), um aber diese Schilderung in ihrer Bedeutsamkeit abzuwerten, in Überlegungen zur Musik einbettet, die durch ihre Hochgestochenheit vom Eigentlichen ablenken sollen, das indes ja aber nicht ungesagt bleiben soll...

 Nur ein Gewandhaus-Konzert bis dato gehört mit Schumanns Dritter als pièce de résistance. Ein Kritiker von damals rühmte dieser Musik >umfassende Weltanschauung< nach, was sehr nach unsachlichem Geschwätz klingt, und worüber denn auch die Klassizisten sich weidlich lustig machten. Hatte aber doch seinen guten Sinn, da es die Standeserhöhung bezeichnet, die Musik und Musiker der Romantik verdanken. Sie hat die Musik aus der Sphäre eines krähwinkligen Spezialistentums und der Stadtpfeiferei emanzipiert und sie mit der großen Welt des Geistes, der allgemeinen künstlerisch-intellektuellen Bewegung der Zeit in Kontakt gebracht, — man sollt es ihr nicht vergessen. Von dem letzten Beethoven und seiner Polyphonie geht das alles aus, und ich finde es außerordentlich vielsagend, daß die Gegner der Romantik, das heißt: einer aus dem bloß Musikalischen ins allgemein Geistige hinaustretenden Kunst, immer auch Gegner und Bedauerer der Beethoven'schen Spätentwicklung waren. Hast du je darüber nachgedacht, wie anders, wieviel leidend-bedeutender die Individualisierung der Stimme in seinen höchsten Werken sich ausnimmt als in der älteren Musik, wo sie gekonnter ist? Es gibt Urteile, die durch ihre krasse, den Urteilenden kräftig kompromittierende Wahrheit belustigen. Händel sagte von Gluck: >Mein Koch versteht mehr vom Kontrapunkt als er<, ein mir teures Kollegenwort.

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