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Leo’s BLOG

Sein Leben

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Leo

Ein Handy läutete...

Ein Telephon läutete in der Dunkelheit. Nachdem es dreimal geläutet hatte, knarrten Bettfedern, Finger tasteten auf Holz umher, etwas Kleines, Hartes schlug dumpf auf einen Teppichboden, Bettfedern knarrten erneut, und die Stimme eines Mannes ertönte: "Hallo ... Ja, am Apparat... Tot? ... ja ... Fünfzehn Minuten. Danke."*

Sam wandte sich Wanda zu, die noch fest zu schlafen schien. Er mußte lächeln. Am oberen Rand des dick aufgeplusterten Federbetts war nur ihre grüne Skimütze zu sehen, die sie immer trug, wenn sie abends mit Migräne zu Bett ging. Das bedeutete: Laß mich schlafen, egal, was passiert...

Sam suchte im Dunkeln seine Klamotten zusammen, suchte im Flur nach seiner Dienstpistole und seinem Handy, verdammt, er mußte sie verlegt haben, na, auch egal, er schließt leise die Korridortür.

Vor der Haustür parkte sein Wagen, ein alter blauer Peugeot. Während er die Tür aufschloß, wanderten seine Gedanken noch einmal zurück zu Wanda. Sie hatte in letzter Zeit des öfteren diese Migräne, ging dann meist früh zu Bett und war dann weggetaucht - einfach weg. Einmal hatte er sie aus Versehen geweckt, als er zu Bett kam. Da hatte sie aufgeschrien und getobt: "Weck mich nie wieder auf, wenn ich so dämlich gut schlafe!" Seitdem hatte er sie in Ruhe gelassen. Sam hatte sie nie mehr geweckt, wenn sie sich in ihr Federbett gewickelt hatte, die grüne Skimütze auf dem Kopf.

Die Nacht war kalt, es regnete leise, die Scheiben beschlugen. Das Gebläse blies, der Motor knurrte, Sams Gedanken tanzten durch seinen Kopf: Beschissene Situation... er hatte Wanda früher... diese Migräneanfälle oder -einfälle... zuerst Whiskey gegen die Einsamkeit der Nacht... dann Linda... die hübsche Frau seines Kumpels Archer, der vor einem Jahr bei einer Schießerei ums Leben gekommen war... Linda wohnte am Rand des Viertels, in dem auch er wohnte... höchstens fünfzehn Minuten entfernt... Vielleicht würde er sie heute Abend noch aufsuchen... Komisch, er war zu dem Wäldchen gerufen worden, das gleich hinter ihrem Haus lag...

Sam bugsierte seinen alten blauen Peugeot zum Wald und fuhr zu der bezeichneten Stelle. "An der Futterkrippe", hatte die weibliche Stimme am Telefon gesagt. Er ließ seine Power-Lampe, die er im Kofferraum seines alten blauen Peugeots verstaut hatte, über den Waldesrand streifen. Dann sah er sie liegen, den Kopf unter der Futterkrippe versteckt. Sonst war niemand zu sehen. Vorsichtig entfernte er ein Büschel Heu vom Gesicht der Toten. "Mein Gott!", entfuhr es Sam. Er starrte in Lindas tote Augen, und die starrten stumm und tot zurück.

Sam suchte in seiner Hosentasche herum. Verdammt, das Handy! Nun mußte er wohl oder übel nach Hause fahren, denn Telefone gab es in dieser gottverlassenen Gegend nicht.

Er wollte gerade zu seinem alten blauen Peugeot zurück, als sein Blick auf etwas Glitzerndes in der Hand der Toten fiel. Er beugte sich zu der Leiche hinab und entwand der noch warmen Hand der Toten eine perlenverzierte Halskette. "Mein Gott!", entfuhr es Sam ein zweites Mal. Es war die Kette, die er Wanda letztes Jahre zu Weihnachten geschenkt hatte, gegen die Migränen! Hastig nahm er sie an sich und fuhr nach Hause.

Er rannte die Stufen hoch und stürmte ins Schlafzimmer. Wanda schien zu schlafen. Sam riß das dicke Federbett zurück - nichts! Die Skimütze fiel zu Boden.

"Suchst du die, Liebling?"

Sam schnellte zurück. In der Tür stand Wanda, hielt seine Dienstpistole hoch in der behandschuhten Hand, warf sie vor das Bett und löschte das Licht. "Ich habe die Polizei bereits verständigt.", sagte sie mit völlig migränefreier, ruhiger Stimme.

Ein Handy läutete. Nachdem es dreimal geläutet hatte, knarrten Bettfedern, denn Sam war erstarrt aufs Bett gefallen. Finger tasteten auf Holz umher, etwas Kleines, Metallenes glitt leise auf den Teppichboden, Bettfedern knarrten erneut, und die Stimme seiner Frau erhob sich leise: "Hallo... Ja, am Apparat... Tot?... ja... Fünfzehn Minuten? Danke."

* Dieser Abschnitt war von der Süddeutschen Zeitung vorgegeben, darnach wurde geschrieben...

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